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Die Zeitung: Weser Kurier, 03.11.2007
"Selbstständigkeit als Ausdruck des Aufstiegs
In der Oberen Rathaushalle fand das Forum „Bremer Unternehmen was!" mit großer Beteiligung statt"
Von unserer Mitarbeiterin
Sigrid Schuer
BREMEN. „Der Ehrgeiz, sich selbstständig zu machen, ist bei Migranten wesentlich größer als bei Deutschen. Sie sind erstaunlich zielstrebig und werden von ihren Familien unterstützt", resümierte Reinhard Broker von der Bremer Handwerkskammer anlässlich des Forums „Bremer Unternehmen was!", das jetzt im Rathaus stattfand.
Wieviele Bremer Bürgerinnen und Bürger. mit Migrationshintergrund die Selbstständigkeit als probates Mittel für den sozialen Aufstieg nutzen, zeigte die gut gefüllte Obere Rathaushalle. Die Bremer Tageszeitungen AG stellte bereits einige der in Bremen ansässigen 3000 ausländischen Unternehmer im Rahmen einer Serie vor. Darunter auch die Chinesin Tak-Li Chan, Chefin einer Bremer Werbeagentur, sowie den italienischen Coiffeur Luca Rizzo und die afrikanische Köchin Hawa Abdul. Letztere sind auch in der Broschüre „Bremer Unternehmen was!" präsent, die im Rahmen des gleichnamigen, von der Werbeagentur „Planetmutlu" organisierten Forums vorgestellt wurde.
Im Saal und auf dem Diskussionspodium, das von WESER-KURIER-Redakteur Reinhard Wirtz souverän moderiert wurde, war die türkische Fraktion stark vertreten. So betreibt der in Bremen geborene Kadir Soytürk mit seiner Frau Nina seit 2005 im Schaufenster Fischereihafen in Bremerhaven das in schlichter Eleganz eingerichtete Restaurant „ Amerigo Vespucci". Er beschäftigt 29 Mitarbeiter, ein Drittel davon sind Ausländer. Bülent Uzuner, Geschäftsführer der Oldenburger BTZ Consulting, die rund 1000 Mitarbeiter hat, ist Mitbegründer des Türkisch-Europäischen Wirtschaftsforums Bremen/Nordwest (Tewifo). Das Forum ist Teil des Arbeitskreises der Bremer Existenz-Gründungs Initiative „B.E.G.IN" für Zuwanderinnen und Zuwanderer. Von „B.E.G.IN" wird das Netzwerk koordiniert, in dem die Projekte der Arbeiterwohlfahrt „Q.net" und „BQA" (Beratung Qualifizierung Akquise) sowie die Initiative „Frauen in Arbeit und Wirtschaft "und das afz (Arbeitsförderung im Lande Bremen) Mitglied sind.
„Normalerweise sind wir es eigentlich n ur gewohnt, dass der Staat uns belangt und nicht fördert. Insofern war dieses Bremer Netzwerk eine sehr schöne Überraschung für mich", lobte auf dem Podium Zion Yirga, stellvertretend für die anderen Diskussions-teilnehmer. Die gebürtige Äthiopierin gründete 2003 die Firma „IDEE - Gesellschaft für Development", die IT-Lösungen für Fund Raising und Alumni-Arbeit entwickelt. „IDEE" ist im besten Sinne multikulturell aufgestellt. „Bei uns arbeiten fünf Programmierer aus Nepal, Indien und Saudi-Arabien", so Yirga.
„Bremen hat neben Indien, China und . Osteuropa die Türkei als neuen Zielmarkt entdeckt", so Volkmar Herr, bei der Handelskammer Bremen Abteilungsleiter für die Anbahnung internationaler Wirtschaftsbeziehungen. „Auch wenn das in Deutschland inzwischen bezweifelt wird, die Marke 'Made in Germany' hat bei uns und auch in Russland immer noch einen guten Ruf. Schließlich ist die Türkei als China Europas mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro der größte Handelspartner Deutschlands", unterstrich Bülent Uzuner. Ein Potenzial, das seiner Ansicht nach noch viel zu wenig genutzt wird. „Das Volumen an Geschäftsanbahnungen ist gerade noch in Bremen ausbaufähig. Viele türkische Unternehmen wollen auf dem deutschen Markt Fuß fassen", ist Bülent Uzuner überzeugt.
Davon könnte die Hansestadt in der Tat profitieren, die sich aus dem Trauma der Werftenpleiten in einem tiefgreifenden wirtschaftlichen Strukturwandel inzwischen umorientiert hat, wie Heiner Heseler, Staatsrat beim Senator für Wirtschaft und Häfen in seinen einleitenden Worten betonte. Integraler Bestandteil dieses Strukturwandels seien nicht zuletzt auch die von Migranten gegründeten Unternehmen, die zur Vernetzung von Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung beitrügen. Volkmar Herr mahnte denn auch an die heiß diskutierte „blue card" -Debatte anschließend Liberalität in der Migrationspolitik an. Er bezeichnete es als „peinlich, wenn die Genehmigung zur Gründung einer Produktionsstätte durch deutsche Behörden ein halbes Jahr dauert. Das muss schneller gehen".
Schließlich sprach Evgenia Scerbakova als Vertreterin der russischen Interessenvertretung AG RUS. Als Hauptproblem benannte sie, dass viele ihrer Landsleute immer noch im Denken der sowjetischen Planwirtschaft verwurzelt seien.
Evgenia Scerbakova, Bülent Uzuner, Kadir Soytürk, Zion Yirga, Reinhard Bröker und Volkmar Herr (von links) auf dem Podium.
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